Beispielfälle von Mediation
Nachfolgend werden hier verschiedene Mediationsarten vorgestellt:
Nachbarschaftsmediation
Die Ausgangssituation:
Ehepaar B zieht in eine alt eingesessene Reihenhaussiedlung. Mit ihrem Einzug findet die erste Altersdurchmischung der Bewohner dieser Reihe statt. Die Nachbarn von Ehepaar B sind durchweg eine Generation älter – und hatten entsprechend andere Vorstellungen von einem nachbarschaftlichen Zusammenleben.
Der Konflikt:
Die Eheleute B hatten bereits einen schlechten Start, da sie sich nicht persönlich bei den neuen Nachbarn vorstellten, was diese erwartet hätten. Außerdem organisierten sie ihren Tagesablauf anders als es in der Reihenhaussiedlung üblich war und hielten sich weder an die dort übliche Mittagsruhe noch an die Nachtruhe, was ihre Renovierungs- oder Gartenarbeiten anging.
Da die neuen Nachbarn außerdem ihre drei Autos in der Sackgasse parkten, so dass die Eheleute A ihren Wagen nicht mehr zum Entladen vor ihr Haus fahren konnten, und darüber hinaus keinerlei Einsicht oder Verständnis zeigten, verhärteten sich die Fronten der Nachbarn immer mehr.
Die Konfliktpartner:
Insgesamt litten alle Nachbarn unter der angespannten Atmosphäre in der Siedlung. Die direkten Nachbarn Eheleute A, die das Mediationsverfahren initiierten, und Ehepaar B waren dann in der Mediation als Konfliktpartner anwesend.
Das Verfahren:
Das Mediationsverfahren bestand aus einem Vorgespräch und einer fünfstündigen Sitzung. Im Vorgespräch einigte man sich auf die Themen, die im Rahmen des Verfahrens verhandelt werden sollte. Die Eheleute A wollten insbesondere über Rücksichtnahme, zeitliche Regelungen für die Durchführung geräuschvoller Arbeiten sowie die nachbarschaftlichen Umgangsformen sprechen. Ehepaar B lag die Regelung des nachbarschaftlichen Umgangs, die Akzeptanz in der nachbarschaftlichen Gemeinde und die Nutzung der Sackgasse am Herzen.
Die Einigung:
Nach einigen hitzigen Diskussionen bereitete die Ehefrau A den Weg zu einer Einigung, indem sie ihren Mann dazu bewegte, sich offen über seine eigenen Hintergründe für sein Verhalten zu äußern. Langsam wurde klar, dass Herr A sehr früh Verantwortung tragen musste und dies auch von seinen Nachbarn erwartet. Herr B hingegen musste zeitlebens gegen einen starken Vater kämpfen und wollte nun endlich machen, was ihm gefiel. Herr A konnte diesen Wunsch nach Autonomie schließlich nachvollziehen. Insgesamt wurde ein besseres Verständnis für die Hintergründe und Motivationen der einzelnen Personen geschaffen und eine schriftlich vereinbarte Regelung für die Ruhezeiten und das Parkrecht in der Sackgasse getroffen. Was die Nachbarschaftsgemeinschaft angeht, wurden keine schriftlichen Absprachen getroffen, da diese sehr schwer von Ehepaar A zu steuern gewesen wäre, aber ihr direktes Miteinander wollten beide Parteien künftig persönlicher und freundlicher gestalten.
Erbschaftsmediation
Die Ausgangssituation:
Der Erblasser, Herr S., hatte drei Kinder aus erster Ehe, Sabine, Maik und Daniel. Im Jahre 1999 hatte der Erblasser zum zweiten Mal geheiratet, seine Frau Anja. Aus dieser Ehe war ein weiteres Kind, Laura, hervorgegangen. Die zweite Frau sollte ein Haus, Aktien und alle sonstigen Wertgegenstände erben. Sabine, Maik und Laura sollten jeweils eine Eigentumswohnung in Hamburg erben. Maik sollte außerdem die Firma übernehmen und Sabine und Laura später ausbezahlen. Der Sohn Daniel war als Einziger nicht bedacht.
Der Konflikt:
Der Initiator der Mediation, Daniel, war von seinem Vater, der kürzlich verstorben war, komplett enterbt worden. Daniel war mit diesem Testament nicht einverstanden, wollte jedoch nicht gerichtlich dagegen vorgehen, sondern mit allen Beteiligten im Rahmen eines Mediationsverfahrens eine gemeinsame Lösung erarbeiten.
Die Konfliktpartner:
Insgesamt handelte es sich um fünf Parteien: die drei Kinder aus erster Ehe, das Kind aus zweiter Ehe und die Witwe.
Das Verfahren:
Zusammengenommen gab es vier Mediationssitzungen. Die erste dauerte 90 Minuten. In diesen ersten 90 Minuten erfolgte eine ausführliche Einführung und die Auftragsklärung sowie eine Themensammlung. Dann gab es zwei weitere, jeweils 3-stündige Sitzungen. In der ersten der beiden Sitzungen ging es ausschließlich um die Zukunft der Firma. An dieser Sitzung nahm zeitweise der Prokurist der Firma des Verstorbenen teil.
In der dritten Sitzung ging es um alle weiteren vererbten Vermögenswerte. Zur Bewertung der Vermögenswerte lagen die entsprechenden Grundbuchauszüge sowie sämtliche relevanten Verträge vor. Zum Schluss wurde noch über die Abschlussvereinbarung gesprochen, die von der Mediatorin vorbereitet und ausformuliert wurde.
Die Einigung:
Es stellte sich schnell heraus, dass sich nicht nur der ausgeschlossene Daniel nicht mit allen Details des Testaments anfreunden konnte. Auch Maik wollte auf keinen Fall die Firma seines Vaters übernehmen, Sabine dagegen konnte nichts mit einer Wohnung in Hamburg anfangen und alle Geschwister fanden es ungerecht, dass Daniel leer ausgehen sollte. Nachdem die Mediatorin alle Beteiligten darüber aufgeklärt hatte, dass – sofern sich alle Erben einig sind – im Rahmen einer Mediation auch vollkommen andere Vereinbarungen getroffen werden können, brachten sich alle Parteien mit Ideen und Vorschlägen in diesen Prozess ein.
Am Ende übernahm Sabine die Firma ihres Vaters, ihre Stiefschwester Laura bekam im Gegenzug Sabines Wohnung in Hamburg, und Maik bot seine Wohnung in Hamburg der verwitweten Frau seines Vaters zum Kauf an. Von dem Erlös ging die Hälfte an seinen Bruder Daniel. Genau wie die Hälfte aus dem Verkauf des Elternhauses in Bielefeld. Maik erhielt im Gegenzug für seinen Verzicht auf die Firmenführung eine Gewinnbeteiligung. Laura wurde durch diese Lösung die alleinige Eigentümerin eines Wohnungskomplexes in Hamburg und zahlte zehn Jahre lang einen Teil der Mieteinnahmen an Daniel. Mit dieser Lösung waren alle Beteiligten nicht nur zufrieden, sondern richtig glücklich. Besonders weil im Zuge der Mediation nicht nur wirtschaftliche, sondern auch familiäre Aspekte und Konflikte besprochen und geklärt werden konnten.
Scheidungsmediation
Die Ausgangssituation:
Frau und Herr B. haben zwei Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren und werden sich scheiden lassen, da Herr B. eine neue Lebenspartnerin hat. Es ist sein Wunsch, das Haus zu verkaufen, damit er Geld für einen Neubeginn hat. Seit der Trennung trägt er den Großteil der finanziellen Belastung, die noch auf dem Haus liegt. Frau B. stimmt dem Hausverkauf jedoch nicht zu. Sie sagt, sie möchte den Kindern das gewohnte Umfeld erhalten. Die Trennung der Eltern sei schon schwer genug für sie gewesen und jetzt müsse sie ihnen Halt und Stabilität bieten.
Das Verfahren:
Zunächst verschafft der Mediator beiden Konfliktparteien gleichermaßen viel Raum für die Darstellung ihrer jeweiligen Sichtweisen. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Die Trennung der beiden erfolgte auf Wunsch des Mannes. Er hat sich diesen Schritt nicht leicht gemacht, aber nun blickt er nach vorn. Nur die Haltung seiner Ex-Frau in Bezug auf den Hausverkauf belastet ihn. Er versteht sie nicht und wirft ihr Boshaftigkeit vor. Frau B. ist emotional noch mit der Trennung beschäftigt. Darüber hinaus zeigt sie Zeichen von Überlastung. Die Erziehung der beiden pubertierenden Kinder strengt sie sehr an, das Haus erfordert eine Menge Arbeit, der Wechsel von einer halben auf eine ganze Stelle bedeutet eine weitere Veränderung, vielleicht sogar einen Wechsel des Arbeitgebers. Sie hat nicht mehr die Kraft, jetzt auch noch mit den Kindern umzuziehen und mit der nächsten gravierenden Veränderung fertig zu werden. Herrn B. waren diese Aspekte nicht bewusst. Nun aber verändert sich seine Haltung gegenüber seiner Ex-Frau. Die Fronten weichen auf. Die beiden können sich auf dieser Ebene anders begegnen. Der Mediator bringt sie jetzt miteinander ins Gespräch, bis die ersten Lösungsansätze deutlich werden.
Die Einigung:
Die Konfliktparteien vereinbaren, dass sich der Ex-Mann mehr um die Kinder kümmert und sich mit Frau B. in Erziehungsfragen besser abstimmt, was sie deutlich entlastet. Die beiden einigen sich darauf, dass Frau B. zunächst eine neue Stelle sucht. Sie gibt sich selbst dafür drei Monate Zeit. Herr B. wird in dieser Zeit nicht weiter auf den Hausverkauf drängen. Nach der Frist wird ein Makler mit dem Verkauf des Hauses und der Suche einer Wohnung für Frau B. beauftragt. Da dies vermutlich einige Zeit dauern wird, will Frau B. ihren Ex-Mann bei der Finanzierung des Hauses stärker unterstützen, sobald sie eine Vollzeitstelle gefunden hat.
Wirtschaftsmediation zwischen zwei Unternehmen
Die Ausgangssituation:
Das Unternehmen X hat gegen seinen langjährigen Kunden, die Firma Y eine ausstehende Forderung in Höhe von 300.000 €. Die Ware wurde von Firma Y empfangen und an deren Kunde Z weiterverkauft. Kunde Z jedoch hat diese Ware nie bezahlt und kann von Firma Y auch nicht ausfindig gemacht werden. Demnach hat auch Firma Y eine ausstehende Forderung in Höhe von 400.000 € und kann ihrer Verpflichtung dem Unternehmen X gegenüber nicht nachkommen ohne dadurch Insolvenz anmelden zu müssen.
Der Konflikt:
Die Firma Y steht vor der Pleite, wenn sie der Forderung des Unternehmens X nachkommen müsste. In einem Gerichtsverfahren würde Unternehmen X vermutlich Recht bekommen und einen Vollstreckungstitel gegenüber dem langjährigen Kunden erhalten. Dieser würde aber Insolvenz anmelden müssen, und das Unternehmen X könnte nicht nur eine eigentlich solide Geschäftsbeziehung, sondern auch das ausstehende Geld verlieren.
Die Konfliktpartner:
Im Grunde geht es um Unternehmen X und Y. Allerdings spielt in diesem Konflikt Kunde Z die wesentliche Hauptrolle. Da Z aber nicht auffindbar ist, stehen sich lediglich Unternehmen X und Y – beide mit ausstehenden Forderungen – als Konfliktpartner gegenüber.
Das Verfahren:
Um eine gemeinsame Lösung des Konflikts zu erarbeiten, hat Unternehmen X eine Wirtschaftsmediation initiiert.
In einer dreistündigen Sitzung wurde von den beiden Konfliktpartnern unter Anleitung eines erfahrenen Mediators eine gemeinsame Lösung erarbeitet, die beiden ermöglicht, ihre wirtschaftliche Situation weitestgehend zu erhalten.
Die Einigung:
Im Zuge des Mediationsverfahrens wurde schnell deutlich, dass beide Konfliktpartner die bisherige Zusammenarbeit sehr schätzen und nach einer einvernehmlichen Lösung suchen wollten, um diese nicht wegen Dritter dauerhaft beenden zu müssen. Sie einigten sich darauf, dass Unternehmen X als Kapitalgeber in die Firma Y einsteigen würde – der Kaufpreis für seine Anteile von 150.000 € wurde mit der ausstehenden Forderung in Höhe von 300.000 € verrechnet. Die übrigen 150.000 € wurden als Gesellschafterkredit verbucht.
Der langjährige Kunde und Inhaber von Firma Y bleibt Geschäftsführer und Gesellschafter mit einem zunächst reduzierten Gehalt, an das aber ein Bonus-Modell für besondere Erfolge gekoppelt ist.
Auf diese Weise kann der Inhaber der Firma Y seinen Status und seine Firma behalten und hat im Erfolgsfall möglicherweise keine oder kaum Einbußen an seinem Gehalt. Dem Unternehmen X erschließt sich durch diese Lösung ein neuer Vertriebs- und Kundenkreis und es erhält sich Firma Y als guten Kunden – und kann diese Geschäftsbeziehung, beispielsweise als alleiniger Zulieferer, noch vertiefen.
Wirtschaftsmediation zwischen Gesellschaftern
Die Ausgangssituation:
Vater und Sohn, beide gleichberechtigt beteiligte Gesellschafter und Geschäftsführer eines Familienunternehmens, können sich nicht auf einen gemeinsamen Fahrplan für die Zukunft des Unternehmens einigen. Die Meinungsverschiedenheiten gehen so weit, dass die beiden Geschäftsführer nur noch den notwendigsten Kontakt pflegen und auch die Familie über den Streit auseinander zu brechen scheint.
Der Konflikt:
Während der Sohn in den neuen Medien und in innovativen Techniken die Zukunft der Firma sieht und davon überzeugt ist, in Osteuropa neue Märkte erschließen zu können, möchte der Vater, dass alles beim Alten bleibt. Er versteht nicht, wieso man ein finanzielles und unternehmerisches Risiko eingehen sollte, wenn eigentlich alles gut läuft.
Da beide wichtige Beschlüsse laut Vertrag nur gemeinsam treffen können, scheint eine Gerichtsverhandlung wenig aussichtsreich.
Die Konfliktpartner:
Die Konfliktpartner sind zum einen gleichberechtigte Geschäftsführer und Gesellschafter eines mittelständischen Unternehmens, zum anderen aber auch Vater und Sohn. Damit sind implizit auch die anderen Familienmitglieder, wie beispielsweise die Mutter und Ehefrau der Beiden, an einer Lösung interessiert.
Das Verfahren:
In insgesamt vier Sitzungen wurde eine Lösung erarbeitet, die eine dritte Partei – einen Kaufinteressenten – mit einbezog. Im Laufe des Verfahrens wurden zunächst die bisherigen, aber auch die favorisierten Geschäftsbereiche der beiden Geschäftsführer geklärt und berücksichtigt.
Die Einigung:
Beide Parteien haben sich darauf geeinigt, insgesamt 51% ihrer Anteile an einen vertrauenswürdigen Kaufinteressenten mit exzellentem Neukundenpotential zu verkaufen. Der Vater, der kurz vor der Rente steht, ist bis dahin mit einem gut dotierten Vertrag abgesichert. Außerdem belasten ihn erhebliche Neuinvestitionen nicht mehr, da diese nun von seinem Sohn und dem neuen Geschäftspartner realisiert werden. Die Investitionskosten fallen zudem niedriger aus als geplant, da der neue Geschäftspartner viel von dem mitbringt, was sonst erst noch entwickelt werden müsste. Beide Gesellschafter erhalten auch als Minderheiten wesentliche Mitsprachrechte in der Geschäftsführung. Der Sohn kann den Erlös aus dem Verkauf seiner Anteile reinvestieren, der Vater schafft sich so ein finanzielles Polster für seinen Ruhestand. Gemeinsam wurde ein Businessplan für alle drei Parteien entwickelt, mit dem alle überaus zufrieden waren. Nachdem die geschäftliche Zukunft der Firma gemeinsam festgelegt war, konnten die beiden Konfliktpartner auch privat wieder aufeinander zugehen.